Geschichte von Rawitsch

Geschichte des Kreises Rawitsch
Geschichte des Stadt Rawitsch


Geschichte des Kreises Rawitsch

Der Kreis Rawitsch (Rawicz) ist aus dem Kreis Kröben hervorgegangen. Am 01.10.1887 wurde der
Kreis Kröben geteilt und als Kreise Gostyn und Rawitsch neu gebildet. Zum Kreis Rawitsch
gehörten 132 Gemeinden.

Der Kreis Rawitsch liegt im Grenzgebiet zwischen Großpolen und Schlesien. Es kam hier erst in
der früheren Neuzeit zu einer größeren Ansiedlung deutscher Kolonisten. Im Mittelalter war die
Region nur dünn besiedelt, entwickelte aber dennoch einige Orte und Städte nach deutschen Recht
z.B. der Ort Sarne (Sarnowo) im Jahre 1407. Weiter Städte sind Jutroschin im Osten des Kreises
und Görchen, eine der ältesten Besiedlungen in Großpolen.

Zeitgleich mit der Stadt Rawitsch (1638) wurde die Stadt Bojanowo im Norden des Kreises von
Stefan Bojanowski gegründet, um deutschen Einwanderern eine Neues zu Hause zu geben.

Die Orte im Kreis litten und den Nordischen Kriegen (1655-1660; 1700-1721) und dem polnischen
Erbfolgekrieg (1733-1735). Dennoch wurden sie immer wieder aufgebaut und entwickelten sich weiter.
Durch die Pest in den Jahren 1710 bis 1711 starben 60% der Bevölkerung des ganzen Kreises.

Als der Kreis im Jahr 1807 zum Herzogtum Warschau kam residierte hier Jerome Bonaparte mit dem
Hauptquartier eines Teiles der französischen Armee. Durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses
von 1815 kam das Gebiet des Kreises wieder zu Preußen. Allerdings verloren die Tuchmacher, die
in der wirtschaftlichen Entwicklung eine wichtige Rolle spielten, durch die russischen Absatzzölle
im Jahr 1822 ihre Absatzgebiete im Osten. Mit der Gründung des Deutschen Reiches am 18. Januar
1871 wurde der Kreis ein Teil dieses Reiches.

Entsprechend seiner Bevölkerungs- und Besiedlungsstruktur war das Kreisgebiet während des
Großpolnischen Aufstandes nach dem ersten Weltkrieg heftig umkämpft. Aufgrund der Beschlüsse des
Versailler Vertrages mussten die größten Teile des Kreises an Polen abgetreten werden. Lediglich
die Landgemeinde Schlemsdorf (Szemzdrowo) und ein Teil der Landgemeinde Massel (Maslowo) blieben
bei Deutschland.

Viele Deutsche wanderten ab. Der polnische Staat hatte sich aufgrund der Bestimmungen des Versailler
Vertrages verpflichtet die Rechte der Minderheiten (immerhin 40% der Gesamtbevölkerung des damaligen
polnischen Staates) zu wahren. Dies entsprach leider nicht der Realität, es wurde versucht der
deutschen Bevölkerung das Leben so schwer wie möglich zu machen (beispielhaft sei hier die Bekämpfung
des deutschen Schulwesens zu nennen).

In den Jahren 1939-1945 wurde der Kreis Bestandteil des unter nationalsozialistischer Herrschaft
gebildeten Warthegaues. Man begann damit die polnische Bevölkerung zu vertreiben und durch Umsiedler
aus Wolhynien und dem Baltikum zu ersetzen. Mit dem Ende des 2. Weltkrieges fiel das Gebiet wieder
an Polen. Die ehemaligen deutschen Bewohner sind über das ganze Bundesgebiet verteilt, schwerpunktmäßig
im Raum Delitzsch.


Geschichte des Stadt Rawitsch

Vielen Familien wanderten während des 30jährigen Krieges (1618-1648) vor allem aus Schlesien,
Sachsen und Süddeutschland nach Polen aus. Anlass für diese Auswanderung waren hauptsächlich
religiöse Verfolgungen. Überwiegend waren es evangelische Protestanten. Mit der religiösen
Verfolgung waren aber auch wirtschaftliche Nachteile für Sie verbunden.

Am 24. März 1638 erhielt Adam Olbracht von Przymna Przniemski, oberster Lagerherr der Krone Polen,
Graf zu Görchen, Freiherr von und auf Storchnest vom polnischen König Wladislaus IV die Ermächtigung
zum Bau einer Stadt. Der Bau der Stadt schritt unter der Leitung des Breslauer Ingenieurs Flandrin
rasch vorwärts, schon am 29. Mai 1639 fand die Einweihung der Kirche in Gegenwart des Grundherren statt.

Die Stadt wurde nach deutschen (Magdeburger) Recht angelegt. Anlage nach deutschem Recht bedeutete
u.a. dass die Straßen rechtwinklig zueinander angelegt wurden, dass das Rathaus in der Stadtmitte auf
dem Markplatz stand und die Handwerker in Zünften zusammengeschlossen waren.

Vom Marktplatz führten vier Ausfallstraßen zu den Stadttoren: Nach Norden die Posener Straße, deren
Verlängerung die Nordstraße bildete; im Westen die Berliner Straße, deren Verlängerung die Bahnhofstraße
war, die zum Rawitscher Hauptbahnhof führte; nach Süden die Breslauer Straße, an die sich die
Friederici-Straße anschloss; nach Osten führte die Wilhelmstraße, an die sich außerhalb der Stadt die
Chaussee nach Jutroschin und Krotoschin anschloss. Bis 1939 hatten die Chausseen (heute würde man sie
als Landstraßen bezeichnen) alle einen „Sommerweg“, d.h. dass es neben der befestigten, aber nicht
asphaltierten Fahrbahn eine unbefestigte Spur für die Pferdefuhrwerke gab.

Die neue Stadt blühte rasch auf. Daran hatte das Gewerbe der Tuchmacher einen großen Anteil. Rawitscher
Tuche gingen über Schlesien nach Böhmen und über Polen nach Russland tief nach Asien hinein. Anderseits
bildeten die heißen Pressen der Tuchbereiter eine stete Gefahr für die größtenteils nur aus Holz
bestehenden Häuser; so brachen hier 1676 und 1701 große Brände aus.

Im Nordischen Krieg schlug der schwedische König Karl XII vom 25. November 1704 bis zum 04. August 1705
sein Hauptquartier in Rawitsch auf. Dieser Aufenthalt erforderte große Geldopfer, dafür gewährte der
aber Schutz für Leben und Habe. Am 18. Juli 1707 wurde Rawitsch von den Russen besetzt, ausgeplündert
und eingeäschert; auch die Kirche, das Rathaus sowie das gräfliche Schloss wurden damals ein Raub der
Flammen. Nur sehr langsam wurden die Folgen der Zerstörung verwunden, zumal aufgrund einer Seuche
1710/1711 1800 Einwohner der Stadt starben.

Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) wurde die Stadt von russischen Truppen vorübergehend besetzt. Auch
preußische Husaren besuchten die Stadt zweimal in den Jahren 1759 und 1761, um zu requirieren.

Am 13. April 1793 wurde Rawitsch offiziell dem Preußischen Staat zugeteilt. In der Zeit vom 13. bis
17. Oktober besuchte der preußische König Friedrich Wilhelm II die Stadt.

Die Volkszählung im Jahr 1796 ergab eine Bevölkerung von 7136 Einwohnern, damit war Rawitsch die
drittgrößte Stadt der Provinz. Da es wirtschaftlich aufwärts ging konnten die Schäden durch die
Feuersbrunst vom 19. April 1801, bei der 200 Gebäude, darunter auch die Kirche und die Schule, abbrannten
rasch beseitigt werden. Immerhin fielen ein Drittel der Gebäude dem Feuer zum Opfer. Die Kirche wurde
1808 von Gotthold Friedrich Langhans vollendet.

Im Frieden von Tilsit vom 09. Juli 1807 wurde Rawitsch Teil des von Napoleon gegründeten Herzogtumes
Warschau. Nach der Niederlage Napoleons fiel die Provinz Posen wieder dem Preußischen Stadt zu. Nach dem
ersten Weltkrieg erhielt Polen den größten Teil der Provinz Posen, darunter auch Rawitsch.

Die Zeit zwischen den Weltkriegen war für die deutschen Bewohner nicht einfach. Viele verließen Polen und
gingen nach Deutschland. Von Seiten des polnischen Staates wurde versucht, den noch verbliebenen Deutschen
das Leben so schwer wie möglich zu machen. Beispielhaft ist hier das deutsche Schulwesen zu nennen. Man
ließ sich immer wieder neue Gesetze einfallen, um den Betrieb der deutschen Schulen zu stören bzw. zu
unterbinden. Im Jahr 1939 wurde in der ehemaligen Provinz Posen die letzte deutsche Schule geschlossen.

In der Zeit vom 1939 bis 1945 war Rawitsch Bestandteil des von den Nationalsozialisten gegründeten
Warthegaues, der aber nicht nur das Gebiet der früheren Provinz Posen umfasste.

Nach dem verlorenen 2. Weltkrieg wurde der größte Teil der Deutschen in den Ostgebieten durch die Polen
vertrieben. Dadurch verloren sie Ihre Heimat. Die Flucht vollzog sich im kalten Winter unter dramatischen
und unmenschlichen Umständen in Gegenden westlich der Oder. Sie leben nun verstreut im Westen. Der familiäre
Zusammenhalt blieb aber erhalten. Auch der Kontakt der ehemaligen Bewohner des Kreises Rawitsch untereinander
wird noch gepflegt. Hierzu findet einmal im Jahr ein Heimattreffen in Delitzsch statt.